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Franz von Pocci

Puppenspiel

Wir sitzen hier erwartwungsvoll, Was heut gespielt denn werden soll. Ein neues Stück! O welches Glück! Still jetzt, es schellt, spitzt neu das Ohr, Hanswurst tritt als Prolog hervor.

(Hanswurst macht eine Verbeugung.)

Ich habe die Ehre zu annoncieren Das Stück, das jetzo wir aufführen. Die Komödie ist betitelt »Tschangtschang«, Ein Kaiser von China, der, 's ist schon lang, In Peking regiert und da war ansässig Als Usurpator unrechtmäßig. In diesem Stück kömmt allerhand vor, Zum Beispiel: Musik, Ballett und Chor, Verschiedene Blitze mit Donner vermischt; Neue Dekorationen werden aufgetischt; Die Maschinerie ist aber alt; Wohl möglich, daß manches bricht oder fallt. Die Musik ist von einem jungen Komponisten, Pensionierten Hofwaldhornisten. Der Dichter des Stücks bleibt anonym, Gewähren Sie gütigst Nachsicht ihm. Es ist ein jung aufkeimend Talent, Das die Bühne noch nicht recht kennt; ist aber das Stück zu Ende, So klatschen Sie doch in die Hände.

(Hanswurst tritt unter Verbeugungen ab.
Das Publikum stampft mit den Füßen.)

Der Prolog ist wirklich gar zu dumm; Behandelt man so ein Publikum ?! und welch ein Titel! die Verse wie schlecht, Nicht einmal das Silbenmaß ist recht. Wenn der Dichter nichts Besseres macht, Wird er ohne Zweifel ausgelacht.

(Man spielt die Ouvertüre aus dem »Freischütz«.
Der Vorhang geht auf)

 

I. Szene

Tchangtschang, Usurpator des chinesischen Reiches, sitzt auf dem Throne, umgeben von seinem Hofe und weiß vor Langeweile nicht, was er anfangen soll. Die Höflinge verbeugen sich aufhörlich nach Pagodensitte. Es herrscht ehrfurchtsvolles Schweigen und wird in dieser Szene nichts gesprochen weil niemandem etwas einfällt.

Publikum: Nicht übel ist die Introduktion, Dient ziemlich gut als Exposition, Die Verse haben guten Klang, Schön charakterisiert ist Tschangtschang!

 

II. Szene

Tschangtschang pfeift, worauf einige Sklaven eintreten, welche auf seinen Wink Kaffee bringen und eine Pfeife Tabak. Musikanten spielen ein sehr schönes Stück aus der neuesten Oper von Mayerbeer, worüber Tschangtschang zu Tränen gerührt wird und einschläft. Allgemeine Stille. Um den Kaiser nicht aufzuwecken, wird auch in dieser Szene nichts gesprochen.

Publikum: Auch diese Szene ist trefflich geschrieben; Doch ist alles beim alten geblieben; Die Handlung schreitet zu wenig fort Und spielt zu lang an einem Ort.

 

 

 

III. Szene

Nacht. Der Mond geht auf und singt eine Arie. Die Sterne tanzen ein Ballett.

 

Publikum: Ah! ah! welch schöne Dekoration, Der Maler verdiente seinen Lohn. Sehr gut gewählt ist das Transparent Für das durchsichtige Firmament. Ausgezeichnet ist das Ballett, Besonders gut tanzt der Komet.

Ungeheurer Applaus. Man ruft den Dekorationsmaler viermal heraus. Das letztemal erscheinen auch der Komponist, Maschinist, der Dichter und alle Schauspieler und Sänger. Auf Verlangen wird das Ballett wiederholt, wobei sich ein Fixstern den Fuß überstaucht.

 

 

 

 

IV. Szene

Tschangtschang erwacht und hat abermals Langeweile. Er gähnt. Der ganze Hofstaat gähnt respektvoll mit. Nun wird ein Gähnchor gesungen, der als sehr beliebtes Musikstück künftig auf allen Wachparaden gespielt wird. Aufgang der Sonne, ebenfalls transparent. Durch die Unvorsichtigkeit eines Lampenputzers brennt der Vorhang an und die Sonne verschwindet wieder.

Publikum: Ein solcher Lampenputzerdefekt Stört doch wirklich den ganzen Effekt! Wie leicht kömmt dann auch Feuer aus, Und wir verbrennen samt dem Haus! Und daß noch gar nichts gesprochen ward - wie dumm! Nur getanzt und gesungen - sagt doch, warum?!

 

 

V. Szene

Nun wird die Bühne ungeheuer dunkel. Komplette Nacht und sehr schlechte Straßenbeleuchtung. Es zeigt sich, daß Tschangtschang ein Bösewicht und unrechtmäßiger Beherrscher voll China, Hanswurst aber der verdrängte legitime Throhnerbe ist, Das Volk teilt sich in Parteien auf und rauft im Dunkeln mit dem Publikum.

Publikum: Ah! welch reiche Ideenpracht; Und alles dies geschieht bei Nacht! Wie gut ist's doch ausgesonnen! Wie schön der Faden fein gesponnen! Der Dichter zeiget großes Talent, Beweist, daß er die Klassiker kennt. Begierig sind wir auf die Entwicklung, Und auf des Knotens Zerstücklung.

 

 

VI. Szene

Geheime Verschwörung bei Donner und Blitz. Masaniello der, man weiß nicht wie, unter die Chinesen geraten, singt eine Arie mit Chor, wobei er mehrere Male einen unter dein Mantel verborgenen Dolch zeigt.

CHOR: Weh dir, Tschangtschang! Du lebest nicht mehr lang! Bald wird dir werden bang! Bang, bang, lang, lang! Tschangtschang bang, lang, lang, lang etc. etc. etc.

Publikum: Der Schicksalsstrumpf ist gut gewebt; Zu lang schon, daß der Böswicht lebt. Nun verfällt er den Rachegeistern, Der Dichter wird seinen Stoff bemeistern!

 

 

VII. Szene

Man vernimmt aus der Ferne einen Marsch von Spontini Säbelgeklir und Kranonendonner. Ungeheurer Lärm und allgemeine Konfusion. Die Wachen im Palaste werden überwältigt. Tschangtschang wird im Schlafrock zum Fenster hinausgeworfen. Die Burg geht in Flammen auf Chor aus »Wilhelm Tell« von Roßini: »Seht die Burg, sie brennt, brennt, brennt brennt brennt« (in infinitum).

Publikum: Bravo! Bravo! Der Dichter hat seine Meisterschaft Bewährt mit wahrer Riesenkraft! Er führt den Stoff mit Konsequenz. Und wie moralisch die Tendenz. Das Laster mußte untergehn, Nun laßt der Tugend Sieg uns sehn!

 

 

VII. Szene

Finale. Knappen zu Pferd, ein Eremit, Fahnenträger, Trompeter, Pauker, Zuschauer und Volk aus der Jungfrau von Orleans Schlußdekoration mit griechischem Feuer.

(Der Vorhang fällt.)

Ungeheures Beifallklatschen des Parterres. Aus den Logen herab wird gepfiffen. Nach langem Kampfe wird der Dichter herausgerufen, mit Blumensträußen beworfen und endlich von einigen Studenten ohnmächtig im Triumph nach Hause getragen.